Sedimentationsanlage Hildebrand


   Reiner Hildebrand

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Anlagenkonzeption


Schön, dass Sie auf meine Seite gestoßen sind. Sicher haben Sie bei Ihrer Recherche über Grauwasser bereits festgestellt, dass die Herangehensweise zur Wiederverwendung von Haushaltsabwasser sehr unterschiedlich sein kann

Die meisten mir bekannten Anlagen verwenden in der Regel das vom fäka­len Abwasser getrennt gesammelte Haushaltsabwasser mehrerer Wohneinheiten, führen es einer zentralen Sammel- und Auf­berei­tungsanlage im Keller des Hauses zu und stellen es dann für die Toilettenspülungen zur Verfügung. Die am häufigsten ge­nannten Probleme sind dabei die Wartungshäufigkeit, die auf­wendige Nach­rüstung, hohe Bau- und Stromkosten und die wieder­holt vorgetra­gene Besorgnis von Fehlanschlussmöglich­keiten so­wie die Möglich­keit der Verbreitung pathogener Keime.


Als nachteilig muss festgehalten werden, dass trotz der Exis­tenz auf­wendiger Grauwassernutzungsanlagen, andere wasserver­brauchs­intensive Nutzungen, etwa das Wäschewaschen, nach wie vor mit Leitungswasser zu besorgen sind. Die hier vorgestellte Anlage verfolgt eine andere Konzeption als die bisher diskutierten Entwürfe, vermeidet die meisten ihrer Probleme und weist darüber hinaus weitere Vorteile auf.



Das Prinzip:

Durch eine nach Gebrauchsarten differenzierte Nutzung der verfügbaren Wasser ergibt sich ein Optimum an Umweltschonung bei einem Optimum an Wirtschaftlichkeit

Dabei werden folgende Grundsätze verfolgt:




Beschreibung


Die Beschickung der Anlage erfolgt regelmäßig mit dem getrennt gesammelten Duschabwasser aus dem eigenen Haushalt, unregel­mäßig auch mit Regenwasser. Da der Bedarf an Toilettenspül­wasser in etwa dem Abwasseraufkommen von der Körperreinigung entspricht, bedarf es nicht des Anschlusses von Waschmaschine, Handwaschbecken oder Badewanne. (Bei früheren Versuchen hat sich beispielsweise die Lauge aus der Wäschereinigung als zu sauer­stoffzehrend erwiesen. In der Badewanne verwendete ätheri­sche Öle führten zu unangenehmem Geruch).

Es ist daher nicht einzusehen, weshalb mit hohem technischem und energetischem Aufwand mehr Betriebswasser als benötigt erzeugt werden soll. Das zulaufende Duschabwasser hat eine relativ geringe Vorbelastung von rund 100 mg/l BSB5 Die vorgestellte Anlage eignet sich besonders für Einfamilienhäuser, unter günstigen Be­dingungen auch für den nachträglichen Einbau. Bei Mehr­familienhäusern käme eine Batterie gleichartiger Anlagen in Be­tracht, durch die es eben­falls möglich wäre, dass jede Familie bzw. Wohneinheit nur ihr eigenes Duschabwasser recycelt.



Abbildung 1: Sedimentationsanlage System Hildebrand



Der hydraulische Teil der Anlage besteht aus einem System senk­recht vor der Wand montierter kommunizierender Röhren. Es kommt ein großer Anteil handelsüblicher Einzelkomponenten zur Anwen­dung. Der verwendete Werkstoff ist im wesentlichen das ökologisch günstig zu beurteilende PP, die Druckleitungen sind in vPE ausge­führt. Die Funktionen der Anlage ergeben sich aus den Beschrei­bungen zu den Abbildungen.









Zustand 1:

Füllen durch Duschabwasser.

Grauwasser läuft der Anlage zu und wird zum Teil filtriert.






Zustand 2:

Füllen durch Regenwasser.

Der Überlauf eines Regenwasser­speichers oder eine gesonderte Re­gen­wasserzuleitung von einem Fall­rohr läuft der Anlage zu und bewirkt eine Filterrück­spülung.









Zustand 3:

Sedimentieren / Bereitschaft.

Feststoffe setzen sich langsam im Über­laufrohr ab.






Zustand 4:

Entschlammen.

Durch Überfüllung der Anlage setzt ein hydraulischer Saugheber eine stoß­weise Desedimentation in Gang (ggf. danach erneut Zustand 4, letztlich zurück zu Zu­stand 3).






Zustand 5:

Überlauf.

Ist die Saugheberkapazität überschritten, er­folgt Überlauf, beginnend mit dem am stärksten verschmutzten Wasser (danach zurück zu Zustand 3 oder 4 je nach Aus­führung).






Zustand 6:

Notüberlauf.

Bei hydraulischer Überlastung, Störfall oder dergl. tritt ein by-pass in Aktion, das Abwasser läuft unter Umgehung der An­lage zum Kanal (zurück zu Zu­stand 5).


Zustand 7:

Entleerung.
Durch Betätigen der WC-Spülung entsteht Unterdruck in der Ver­sorgungs­leitung, die Pumpe schaltet sich ein und fördert aufbereitetes Grau­wasser nach. Gleich­zeitig gelangt bis­her unfiltriertes Wasser aus dem Vor­rat­gefäß in den Hauptreak­tor. Ist der Solldruck erreicht, schaltet die Pumpe ab (zurück zu Zustand 3 oder weiter zu 8).






Zustand 8:

Noteinspeisung.

Wird ein bestimmter Soll-Füllstand unter­schritten, wird die Pumpe elektronisch ab­geschaltet (Trockenlaufschutz). Gleichzei­tig wird ein Magnetventil geöffnet. Regen­wasser (oder Trinkwasser) läuft nach.


Abbildung 2: Betriebszustände der Anlage



Durch die Möglichkeit, die Komponenten auch in etwas anderer An­ordnung als auf den Abbildungen gezeigt zu montieren, kann auf bestehende räumliche Ausgangssituationen Rücksicht genommen werden, was bei nachträglichem Einbau von Bedeutung sein kann.


Aufstellort ist unbedingt ein besonders kühler Raum, in der Regel der Keller eines Einfamilienhauses. Es hat sich gezeigt, dass eine Geruchsentwicklung auszuschließen ist, wenn das Grauwasser keine Gelegenheit hat, sich auf mehr als ca. 17 °C zu erwärmen. Der Raumbedarf beträgt nur etwa einen Drittel Quadratmeter, so dass die Aufstellung selbst hinter einer Tiefkühltruhe oder einem Regal erfolgen kann.


Die Funktion der Anlage ergibt sich aus den Beschreibungen zu den Abbildungen. Als Besonderheit ist festzuhalten, dass die Anlagen so dimensioniert werden, dass sie am Abend eines typischen Tages geleert sind, womit sich ein mikrobieller Abbau auf wenige Stunden bei schlechten Milieubedingungen (Temperatur) beschränkt. Damit wird das Entstehen einer anoxischen Situation vermieden, auch am Abend enthält das Speicherwasser noch rund 0,2 bis 0,5 mg/l Sauer­stoff.

Eine Ausspülung des Sediments in den Abwasserkanal erfolgt selbst­tätig und regelmäßig morgens, wenn die Anlage überläuft, außerdem bei Regen. Die Sedimentation ist ein Vorgang, der am sichersten bei beruhigtem Wasser erfolgt, wie Versuche mit Be­lüftungseinrichtungen und Radialstromdüsen ergeben haben.


Der Betrieb der beschriebenen Anlage kann ausschließlich mit Grauwasser erfolgen. In diesem Fall muss Trinkwasser nachge­speist werden, wenn die Reaktorrohre entleert sind. Eine Installation der Anlage ist aber auch und gerade dann sinnvoll, wenn Regen­wasser genutzt wird, insbesondere dann, wenn Regenwasser allein zu einem zu geringen Deckungsgrad bei der Betriebswasserversor­gung führen würde. Regenwasser dient dann der Nachspeisung bei leerer Anlage, womit eine völlige Trennung des Grauwassers von Trinkwasser führenden Leitungen gegeben ist.

Des weiteren wird – Mischkanalisation vorausgesetzt – der Überlauf eines höhergelege­nen Regenwasserspeichers durch die Grau­wasser­anlage geführt, wodurch sich eine unregelmäßige aber nach­haltige Spülung und Sedimentabscheidung dadurch ergibt, dass für die Dauer des Regens eine intermittierende Saugheber­wirkung einsetzt.

Die Speicherkapazität des Regenwasserspeichers dieser Hybridan­ordnung dient neben dem gelegentlichen Nachspeisen der Grau­wasseranlage meist nur noch dem Betrieb der Waschmaschine, so dass hier ein Volumen von 0,5 m³ pro Waschgang und Woche für mehr als ausreichend angesehen werden kann und sich im Betrieb bewährt hat.

Betriebsergebnisse


Zuverlässigkeit und Wartung


Insgesamt befinden sich heute mindestens drei Anlagen der beschriebenen Art im Dauerbetrieb, eine davon entspricht noch dem Vorgängertyp mit an­derem Aufbau [vgl. HILDEBRAND 1993], der sich gleichfalls be­währt hat. Die Betriebserfahrungen summieren sich mittlerweile auf etliche Jahrzehnte im ununterbrochenen Betrieb.


Tabelle 1: Betriebserfahrungen und Zuverlässigkeit



Betriebserfahrungen

Anlage M

ununterbrochen von 1989 bis 2009

Anlage H

 ununterbrochen seit 1989

Anlage K

 ununterbrochen seit 1989

Anlage R

 lief mindestens 9 Jahre ununterbrochen, Kontakt zum Besitzer ist abgebrochen

Anlage L

 lief mindestens 9 Jahre ununterbrochen, Kontakt zum Besitzer ist abgebrochen




mindestens 80 Jahre



Im Laufe der Jahre konnten zahlreiche Erfahrungen gesammelt werden, die zu Verbesserungen führten. Störungen an den Anlagen waren fast immer auf nicht angepasste Komponenten zurückzufüh­ren, nicht auf das Anlagenkonzept als solches.

Verbesserungen in vielen Details bewirken, dass die Anlagen heute als störungsfrei gelten können. Eine Wartung ist bauartbedingt nicht erforderlich. Aus grundsätzlichen Erwägungen heraus wird jedoch ein jährlicher Check durchgeführt.



Stromkosten


Strombedarf entsteht im wesentlichen durch den Betrieb einer Pumpe, die den Höhenunterschied zwischen den Etagen und den Fließwiderstand am Füllventil der WC-Spülkästen überwinden muss (Ausnahme: Anlage "M"). Eine deutliche Verbesserung des Wir­kungsgrades kann von der Verwendung neuartiger Absperrventile und von Leitungen mit größerem Querschnitt (bisher 16-mm-vPE-Rohr) erwartet werden.


Tabelle 2: Stromkosten



Stromverbrauch

pro m³

geschätzte Stromkosten

pro Jahr 1)

Anlage L

(1 Erw.)

ca. 5 kWh

 7,00 Euro 2)

Anlage R

(2 Erw., 2 Jugendl.)

ca. 5 kWh

29,00 Euro 2)

Anlage M

(1 Erw.)

unter 0,5 kWh

 1,00 Euro

1) 0,10 Euro/kWh

2) ließe sich bei Verwendung anderer Spülkasten-Absperrventile auf einen Bruchteil senken



Unter Aspekten einer Ökobilanz liegt der Stromverbrauch der An­lagen dennoch nicht ungünstig: Da das genutzte Grauwasser auch gleichgroße Mengen an Trinkwasser und Abwasser einspart, sind dem Stromverbrauch der Grauwasseranlage die Energiemengen entgegenzuhalten, die der öffentlichen Wasserversorgung und -ent­sorgung für Förderung, Aufbereitung, Druckerhöhung, Verteilung, Abwasserhebung, Belüftung usw. erspart bleiben.



Wassereinsparung und Wirtschaftlichkeit


Bei der Berechnung der Wirtschaftlichkeit wurde von der Annahme eines Anlagenpreises von 1500 Euro ausgegangen, was den heuti­gen Kosten für Herstellung, Montage und Inbetriebnahme der ein­zelgefertigten Einheiten entspricht.


Tabelle 3: Wassereinsparung und Wirtschaftlichkeit



Wirtschaftlicher Betrieb nach ... Jahren 2)


Trinkwasser

l/Tag

Trinkwasser

m³/a

Kosten

Euro/a 1)

Anlage L

(1 Erw.)

50

18

65

24

Anlage R

(2 Erw., 2 Jugendl.)

144

54

181

8

1) angenommener Preis für Frischwasserbezug und Abwasser = 4 Euro/m³ (Stromkosten berücksichtigt)

2) angenommener Preis der Grauwasseranlage = 1500 Euro

Eine Serienfertigung montagevorbereiteter Einheiten würde einen noch wirtschaftlicheren Betrieb ermöglichen.


Leitender Gedanke bei der Entwicklung von Grauwasseranlagen war und ist jedoch die Umweltentlastung, nicht der wirtschaftlich er­zielbare Vorteil. Die Wassereinsparung durch Grauwasseranlagen entspricht dem Wasserverbrauch für die WC-Spülung, was sich im Falle einer größeren Familie zu einer beträchtlichen Wassermenge summieren kann (vgl. Tabelle 3). Würde es gelingen, mittelfristig jede zweite Toilettenspülung in Hessen von der Trinkwasserversor­gung zu entkoppeln, könnte beispielsweise die ökologisch seit über 100 Jahren umstrittene Fernwasserversorgung aus dem Vogelsberg unterbleiben.



Hygiene


Bei dem wiederzuverwendenden Grauwasser handelt es sich um Wasser, das nicht mit anderen als den im eigenen Haushalt leben­den Menschen in Berührung gekommen ist. Es wird für wenige Stunden zurückgehalten, bevor es in den Kanal gelangt. Ein zweiter Kontakt mit Menschen ist nicht gegeben. Daher ist es nicht nach­vollziehbar, wenn für Grauwasseranlagen gelegentlich pauschal hohe hygienische Anforderungen bis hin zur Keimfreiheit gestellt werden. Man sollte annehmen, dass es für eine WC-Spülung aus­reichend ist, wenn sich das Betriebswasser nicht optisch oder ge­ruchlich unangenehm bemerkbar macht und keine gesundheitlichen Gefahren birgt. Tatsächlich laufen die beschriebenen Grauwasser­anlagen zur Zu­friedenheit ihrer Besitzer.


Nicht geeignet sind Grauwasseranlagen des beschriebenen Typs übrigens für solche Wasserversorgungsgebiete, bei denen das Trink­wasser erhöhte Sulfatgehalte aufweist, weil durch die Aktivität des Biofilms Schwefelwasserstoff (H2S) offenbar selbst dann noch entsteht, wenn das freie Wasser in den Reaktoren O2-Gehalt auf­weist. Nach den bisherigen Erfahrungen kann ein SO4-Gehalt im Trinkwasser von unter 6 mg/l als unbedenklich angesehen werden.

Das "junge", grob filtrierte und von suspendierten Partikeln durch Sedimentation gereinigte Grauwasser aus Duschen ist nicht von schlechter mikrobiologischer Qualität.

Eine mikrobielle Unter­suchung erbrachte folgende Er­gebnisse:

Niedrige Zahl an Coliformen (2/ml E. coli unter 0,3/ml), weit unter dem Grenzwert der EU-Richtlinie für Badegewässer gelegen. Er­wartungsgemäß Staphylokokken der Hausflora (6*10³/ml). auch S. aureus (5/ml), aber weit unter dem EU-Grenzwert. Ps. aerog. unter 1/mI: Titer, Enterokokken 12/100ml.



Anwendbarkeit


Die vorgestellte Anlage eignet sich nicht universell für alle Fälle, bei denen Betriebswasser zur Toilettenspülung genutzt werden soll.

Aufgrund ihrer Auslegung und Konzeption ist ihre An­wend­bar­keit an bestimmte Bedingungen geknüpft.


Eine Grauwasseranlage dieses Typs kann dort empfohlen werden,



Kontakt


Reiner Hildebrand, reinerhildebrand@googlemail.com.
Die beschriebenen Anlagen sind nicht käuflich. Der Autor hat ein Interesse an der Weiterentwicklung der Technologie und deshalb auch daran, Bauherren, Architekten und Entwicklern im Einzelfall behilflich zu sein. Das bedeutet in der Praxis, dass der Interessent zunächst alle zur Planung erforderlichen Daten zur Verfügung stellt wie Grundrisse, Leitungsführung, Nutzungsprofile. Daraufhin erfolgt eine individuelle Berechnung und Planung, die genau auf den Einsatzort zugeschnitte ist. Der Bauherr oder Planer benennt dann Kunststoffschweißer und Installateur, mit denen gemeinsam die Anlage erstellt und eingebaut wird. Die Kosten sind schwer kalkulierbar. Die letzten Anlagen kosteten frei Haus rund 1500 EUR, die hausseitige Installationsvorbereitung und ein Honorar nicht einberechnet.

Literatur


  1. HILDEBRAND, REINER (1993): Integriertes System zur Nut­zung von Regen- und Grauwasser im Haus (mit weiteren Nachwei­sen). In: Mönninghoff, H. (Hrsg.): Wege zur öko­logischen Wasser­versorgung, Ökoverlag, Staufen bei Frei­burg 1993, S. 114-122.



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